Intro 2024
Intro »Water & Sound« 2024
Water & Sound widmet sich 2024 der Wasserregion des Atlantischen Ozeans und seiner Musik. Sie ist in ihrer Fülle geprägt von der historischen Interaktion zwischen Afrika, Europa und Amerika bedingt durch Kolonialismus, Sklavenhandel und Migration im Laufe der Jahrhunderte.
Wasser, der atlantische Ozean, fungiert hier eben nicht nur als verbindendes Element, als Träger von Mensch, Musik und Kultur, sondern auch als Träger von Leid und Gewalt. Zwischen 1492 und 1820 waren etwa zwei Drittel der Menschen, die den Atlantik nach Amerika überquerten, von den Europäischen Kolonialmächten versklavte Menschen aus Afrika.
Gewalttätige Migration sowie die durch den Kolonialismus bedingte Entwurzelung spielen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung einer transatlantischen Kultur und eines diasporischen Bewusstseins vieler Menschen in Amerika und Europa. Die Begegnungen der verschiedenen Musiken Afrikas, Europas und Amerikas, bei gleichzeitiger Entwicklung neuer Haltungen und Ausdrucksformen im Angesicht der Auswirkungen von Kolonialismus, Rassismus, Ausgrenzung und Emanzipation, haben einen immensen kulturellen Reichtum hervorgebracht, ob im Jazz, der Popkultur oder in der globalen Musik.
In seinem vielbeachteten Buch »The Black Atlantic« (1993) zeigt der britische Soziologe Paul Gilroy, wie die afrikanische Diaspora-Musik nicht nur kulturelle Identität und Vielfalt verkörpert, sondern auch eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der modernen Welt spielt. Gilroys Arbeit hat einen bedeutenden Einfluss auf die Studien zur Erforschung von Identität und Kultur in einer globalisierten Welt: Er beschrieb den Begriff des »Black Atlantic« bildlich mit einem Schiff, das sich vom afrikanischen Kontinent weg und wieder zurück bewegt, auf dem Weg andockend an der Karibik, Südamerika, der nordamerikanischen Ostküste und Westeuropa. Was entstand, so Gilroy, ist eine panafrikanische Kultur, geprägt von einem Zusammenspiel aus Resistenz und Kunst entlang der Route des transatlantischen Sklavenhandels.
Weitergedacht stellt das Bild des »Black Atlantic« auch einen Kompass, ein Werkzeug, eine Sichtweise dar, die es uns allen ermöglicht, durch die gemeinsame Vergangenheit Afrikas, Europas und Amerikas zu navigieren und uns in der Gegenwart zu orientieren, um gemeinsam in die Zukunft zu blicken und um den Atlantik kreativ zu überqueren.
Somit stellt das Programm zu Water & Sound auch eine Einladung zu Empathie und Austausch dar und einen Weg zum Verständnis der modernen Welt in all ihrer Vielschichtigkeit.
Water & Sound präsentiert zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler aus der Atlantikregion, die das Spannungsfeld zwischen Afrika, Amerika, und Europa aus verschiedenen Blickwinkeln repräsentieren. Zu hören ist unter anderem die Sängerin Mayra Andrade im Zusammenspiel mit dem Ensemble Atlantique auf der Freilichtbühne, die Einflüsse der afrikanisch wie brasilianisch geprägten kapverdischen Musik mit Elementen des Afrobeat und Global Pop verbindet. Im Annahof präsentiert die Gruppe Bala Desejo aus Brasilien Einflüsse der Tropicália der 60er und der musica popular brasileira der 70er Jahre im neuen Gewande, während Ana Frango Electrico als Speerspitze der IndieSzene Rios gilt. Florence Adooni, eine der führenden FraFra Gospelsängerinnen Ghanas, beschreitet mit ihrer Band eine grandiose Verbindung mit Highlife und Jazz. Eine besondere Festivalkreation stellt die Begegnung der portugiesischen Sängerin Anna Lua Caiano mit ihrem Avantgarde Elektronik-Pop mit dem Ensemble The Waterbirds dar. Direkt im Wasser des Kuhsees präsentiert das Projekt Akutuk Origins aus Kamerun, traditionelle Wasserperkussion und Gesänge.
Panels, Artist Talks und Kunstprojekte erforschen die Räume zwischen Kunst und Wissenschaft, sowie Historie, Ökologie, Gesellschaft und Musikethnologie des atlantischen Raumes.
Girisha Fernando
Künstlerischer Leiter